Stand: 29.12.12 |
Die Zahnradschienenbusse der Baureihe VT 97 |
Als Ersatz für die nach 35 Jahren Steilstreckeneinsatz abgewirtschafteten Zahnraddampflokomotiven wurde 1958 der Bau von zunächst je sechs Zahnradtrieb- und Steuerwagen für die Strecke Honau - Lichtenstein beschlossen. Die wesentlichen Baumerkmale der bereits bewährten Schienenbusse der Baureihe VT 98 sollten dabei übernommen werden. Mit dem Bau dieser Fahrzeuge und den dafür passenden Steuerwagen wurde die Waggonfabrik Uerdingen beauftragt, die Ausrüstung für den Zahnradbetrieb lieferte die Schweizer Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur (SLM). |
Der vorgesehene Steilstreckeneinsatz bedingte wesentliche Änderungen im Bereich der Brems- und Maschinenanlage, wobei wieder auf den bewährten 6-Zylinder-Motor von Büssing (Typ U10) als Antrieb zurück gegriffen wurde. Während man den Aufbau vom VT 98 übernahm, musste das Untergestell durch die zusätzliche Anordnung eines SLM-Nachschaltgetriebes für Berg- und Streckengang verstärkt und modifiziert werden. Die Achsen waren mit je einem Zahnrad ausgerüstet, dabei wurde im Vergleich zu der Regelbauart der Achsenabstand von 6000 mm geringfügig auf 5950 mm verringert, um ein Aufschaukeln aus der Zahnradstange durch einen Gleichtakt aus Zahnstangenlänge, Zahnteilung und Achsstand zu verhindern, die Länge über Puffer blieb aber gleich. Durch die höhere Dienstlast von 24,4 t statt 20,9 t musste die sonst übliche einfache Achsenaufhängung über Blattfedern durch eine Metallgummifederung ersetzt werden. Außerdem wurden die Triebwagen mit einer Zahnrad- und Spurkranzschmierung ausgerüstet. Um die Zahnstange auch bei Dunkelheit beobachten zu können, war außerdem vor dem Führerpult ein Suchscheinwerfer angebracht. |
Besonders aufwendig waren die Bremseinrichtungen, die folgendermaßen aufgebaut war: |
Da die Klinkenband-Klotzbremse nur in eine Richtung wirkte, durften die Fahrzeuge nicht gedreht werden. Wurde auf der Steilstrecke die Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30% überschritten, löste die Klinkenband-Klotzbremse eine Schnellbremsung aus. Außerdem konnte die Klotzbremse vom talseitigen Führerstand aus mit einem Handrad angelegt werden. Die Steuerwagen entsprachen den einheitlichen VS 98, die Handbremse wirkte jedoch auf beide Achsen. |
Für den Einsatz der Zahnradschienenbusse wurden spezielle Keile an den Einfahrstücken der Zahnstange angebracht, über die ein Überwachungsschalter an den Triebwagen betätigt wurde. Falls der Berggang nicht eingelegt war, führte dies zu einer Notbremsung. |
Als am Abend des 30.11.93 der 797 505 Tübingen erreicht hatte, war dies die letzte Fahrt eines VT97 bei der DB. Foto: Michael Ulbricht |
Die Auslieferung der Steuerwagen VS 97 001 - 006 erfolgte bereits 1960. Diese kamen dann zunächst im Mischbetrieb zusammen mit den normalen Schienenbussen zum Einsatz. Die Auslieferung der VT 97 901 - 906 erfolgte 1961/62. Nach umfangreichen Versuchsfahrten übernahmen die beim Bahnbetriebswerk Tübingen beheimateten Triebwagen am 27. Mai 1962 den Personenverkehr zwischen Reutlingen und Schelklingen. Im Güterverkehr kamen noch Tübinger 64er bis Honau und Ulmer 50er bis Kleinengstingen. Auf der Zahnradbahn fand kein Güterverkehr mehr statt. Die Zahnraddampflokomotiven konnten daraufhin ausgemustert werden. Mit Inbetriebnahme der VT97 wurde auch das Einsatzgebiet der Zahnradfahrzeuge vergrößert. Während die Dampflokomotiven nur auf den Streckenabschnitten Tübingen - Reutlingen - Esslingen und Reutlingen - Schelklingen eingesetzt werden konnten, durften die Schienenbusse bis Ulm fahren. Da das Zahnrad aus dem Lichtraumprofil ragt, mussten Bahnübergänge entsprechend angepasst werden. Auch in den Radlenkern alter Doppelkreuzungsweichen mussten entsprechende Aussparungen angebracht werden. |
Neben der Honauer Steige betrieb die Deutsche Bundesbahn damals noch die bayerische Zahnradbahn Obernzell - Wegscheid der Verbindung Passau - Wegscheid. Zwischen Obernzell und Untergriesbach befand sich ein 3,81 km langer, sowie zwischen Wildenranna und Wegscheid ein 2,38 km langer Strub-Zahnstangenabschitt mit jeweils bis zu 69,9 o/oo Steigung. Im Jahre 1953 konnten die Vorserienfahrzeuge VT 98 901 - 903, der ersten zweimotorigen Schienenbusse, hier den Personenverkehr übernehmen. Im Güterverkehr wurden noch die alten bayerischen Zahnraddampflokomotiven PtzL 3/4 (97.1) eingesetzt, die 1912 und 1923 von Krauß geliefert wurden. Untersuchungen ergaben, dass die Strub-Zahnstange die selbe Zahnteilung und Zahnflankeneingriffsverhältnisse wie die Honauer Riggenbach-Zahnstange aufwies. Nachdem 1963 die Zahnstange um 18mm angehoben wurde, konnte am 8. Januar 1964 mit dem Tübinger VT 97 901 der Güterverkehr wieder aufgenommen werden. Im Juli 1964 wurde der Güterbeiwagen VB 97 001, der durch Umbau aus dem VB 142 554 entstand, als Vorstellwagen für den Stückgut-Transport in Betrieb genommen. Nach den guten Erfahrungen mit dem leihweise in Passau stationierten VT 97 901 bestellte man für die bayerische Strecke zwei neue Zahnradtriebwagen. Nach einem schweren Hangrutsch am 28. November 1965 musste die bayerische Zahnradbahn jedoch stillgelegt werden. Der VT 97 kehrte wieder nach Tübingen zurück, während der VB 97 bis zur Ausmusterung beim Bw Passau verblieb und schließlich 1979 im Aw Kassel verschrottet wurde. Die beiden bereits bestellten VT 97 907 und 908 kamen nach der Anlieferung im Jahre 1965 direkt zum Bw Tübingen. Dies waren zugleich die letzten Schienenbusse, die von der DB beschafft wurden. |
797 502 und 797 503 auf dem Gelände der Freunde der Zahnradbahn Honau - Lichtenstein. Im Hintergrund die Achalm, das Wahrzeichen von Reutlingen. Foto: Michael Ulbricht |
Nach Stilllegung der Honauer Zahnradbahn im Jahre 1969 war für die Zahnradschienenbusse die erste Hauptuntersuchung in dem für Schienenbusse zuständigen Aw Kassel fällig. Bei der Überführung wurden die Fahrzeuge geschleppt, da die Zahnradachsen vorher durch spezielle Achsen ohne Zahnrad ersetzt wurden. Während der Hauptuntersuchung wurden die Einrichtungen für den Zahnradbetrieb ausgebaut, wobei die Umbezeichnung von 797.9 in 797.5 erfolgte. Anschließend wurden sie hauptsächlich auf den Strecken Reutlingen - Honau und Göppingen - Schwäbisch Gmünd eingesetzt. Nach Stilllegung dieser Strecken erfolgte 1984 die erste Ausmusterungswelle. Die Fahrzeuge kamen zunächst ins Aw Kassel und wurden von dort wegen Platzmangel nach Wuppertal-Vohwinkel verlegt. 797 506 wurde an einen Privatmann verkauft und war dann noch bis Ende der 80er Jahre in Wuppertal-Vohwinkel abgestellt. Die drei verbliebenen Einheiten kamen dann noch auf der Strecke Göppingen - Boll zum Einsatz, bis auch diese Bahn zum Sommerfahrplan 1988 eingestellt wurde. Bis dahin wurden die ehemaligen Zahnradtriebwagen stets in eigenen Umlaufplänen eingesetzt, da diese auch nach dem Ausbau der Einrichtungen für den Zahnradbetrieb mit den gewöhnlichen Schienenbussen doch nicht so ganz kompatibel waren. Zuletzt sind die Triebwagen noch im Raum Reutlingen/Tübingen gefahren. Die letzte Fahrt fand am 30.11.93 mit 797 505 vor N6279 von Reutlingen nach Tübingen statt. Der Triebwagen wurde anschließend mit Fristablauf ausgemustert. Die beiden Steuerwagen, die noch Untersuchungsfristen hatten, gingen leihweise an die BSW-Freizeitgruppe Offenburg für deren Tunnelfahrten auf der Schwarzwaldbahn. Im Mai 1997 mussten dann auch diese Wagen mit Fristablauf abgestellt werden, die zu diesem Zeitpunkt aber bereits an die Freunde der Zahnradbahn Honau - Lichtenstein verkauft waren. So konnte der Verein 1996 nach langwierigen Verhandlungen die letzten bei der DB verbliebenen Zahnrad-Fahrzeuge erwerben. |
Die Bemühungen des Vereins zum Erwerb dieser Fahrzeuge reichen bis in das Jahr 1987 zurück. Die Angelegenheit beschäftigte unter anderem den damaligen Bahnvorstand Dürr, den Reutlinger Bundestagsabgeordneten Pfeiffer und den Landesverkehrsminister Schaufler. Im November 1996 konnten dann 797 502 und 797 503 von Kassel nach Reutlingen überführt werden, während 797 505 nach der Ausmusterung in Tübingen als Ersatzteilspender diente und erst im März 1998 zusammen mit den beiden 997 nach Reutlingen gebracht wurde. Der VS97 605 steht nach einer durch den Verein ausgeführten Hauptuntersuchung seit 1999 wieder betriebsfähig für Sonderfahrten zur Verfügung. Der VS97 604 konnte dann 2006 wieder in Betrieb genommen werden. Die Aufarbeitung eines Triebwagens ist erst mittelfristig vorgesehen. |
Nr. Hersteller Fabr.Nr./Bauj. Bauart, Lebenslauf |
Triebwagen |
797 501 Uerd./SLM 68090/1961 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 901, 797 901, 797 501, +31.10.84 |
797 502 Uerd./SLM 68091/1961 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 902, 797 902, 797 502, +30.06.92, 1996 an ZHL |
797 503 Uerd./SLM 68092/1961 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 903, 797 903, 797 503, +30.09.92, 1996 an ZHL |
797 504 Uerd./SLM 68093/1961 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 904, 797 904, 797 504, +28.7.83 |
797 505 Uerd./SLM 68094/1961 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 905, 797 905, 797 505, +30.11.93, 1996 an ZHL |
797 506 Uerd./SLM 68095/1961 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 906, 797 906, 797 506, +31.10.84, 1985 an Privat, Wuppertal, .... |
797 507 Uerd./SLM 72382/1965 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 907, 797 907, 797 507, +31.10.84 |
797 508 Uerd./SLM 72383/1965 Bo/b-dh, neu an DB, VT97 902, 797 908, 797 508, +31.10.84 |
Beiwagen |
997 001 Orion A909/1955 2x, neu an DB, VB 142 554, 1964 Umbau in VB97 001, 997 001, +5.11.70, ++1979 |
Steuerwagen |
997 601 Uerdingen 66525/1959 2x, neu an DB, VS97 001, 997 601, +30.9.84 |
997 602 Uerdingen 66524/1959 2x, neu an DB, VS97 002, 997 602, +30.9.84 |
997 603 Uerdingen 66527/1959 2x, neu an DB, VS97 003, 997 603, +30.9.84 |
997 604 Uerdingen 66529/1959 2x, neu an DB, VS97 004, 997 604, +31.5.97, 1997 an ZHL (seit 2006 betriebsfähig) |
997 605 Uerdingen 66528/1959 2x, neu an DB, VS97 005, 997 605, +31.5.97, 1997 an ZHL (seit 1999 betriebsfähig) |
997 606 Uerdingen 66526/1959 2x, neu an DB, VS97 006, 997 606, +31.3.87 |