Stand: 25.02.13

Die Strecke Reutlingen - Schelklingen

und die Zahnradbahn Honau - Lichtenstein
Die zunehmende Industrialisierung führte in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch im Echaztal zu dem Wunsch nach einem Bahnanschluss. Mit dem neuen Verkehrsmittel konnten Waren und Personen leichter über große Entfernungen transportiert werden. Nachdem der Staat zunächst die Hauptverkehrsachsen bauen ließ, folgte im Jahre 1892 mit der Strecke Reutlingen – Honau eine der erste Nebenbahn in Württemberg, die bereits im folgenden Jahr bis Münsingen und einige Jahre später bis Schelklingen mit Anschluss an die Donautalbahn nach Ulm verlängert wurde.
Der Abschnitt Reutlingen - Honau der Echaztalbahn konnte am 2. Juni 1892 eröffnet werden, die Weiterführung über die Schwäbische Alb bis Münsingen ging am 1. Oktober 1893 in Betrieb und die Verlängerung nach Schelklingen folgte am 1. August 1901. Die Strecke hatte damit insgesamt eine Länge von 58 Kilometern. In Kleinengstingen besteht seit dem 6. November 1901 eine Verbindung zur Hohenzollerischen Landesbahn mit ihrer Strecke nach Gammertingen und Sigmaringen bzw. Hechingen. In Reutlingen Süd bestand eine Verbindung zur meterpurigen Straßenbahn. Hier gab es für den Güterverkehr eine Rollbockgrube, auf der regelspurige Güterwagen auf meterspurige Rollböcke umgesetzt und so zu Fabriken in Eningen und Pfullingen transportiert werden konnten.
Zwischen Honau und Lichtenstein muss ein Höhenunterschied von 179 Metern überwunden werden. Damit die Nebenbahn hier möglichst einfach und damit kostengünstig trassiert werden konnte, entschied sich die damalige Königlich Württembergische Staatseisenbahn erstmals für den Bau einer Zahnradbahn und die Beschaffung spezieller Fahrzeuge, die sowohl auf den herkömmlichen Reibungsstrecken als auch auf der Zahnradbahn eingesetzt werden konnten. Lokomotiven, Wagen und Zahnstangen lieferte die Maschinenfabrik Esslingen, die in dieser Zeit zu einem weltweit führenden Hersteller für diese Technologie wurde. So konnte der Albaufstieg zwischen Honau und der Station Lichtenstein auf einem 2,2 km langen Streckenstück mit einer Steigung von 10% überwunden wurden. Dabei wurde im Gleis eine Riggenbach´sche Leiterzahnstange der Bauart Bissinger-Klose verwendet. Für den Betrieb wurden speziell ausgerüstete Dampflokomotiven sowie Personen- und Packwagen mit Bremszahnrad beschafft, die durchgehend von Reutlingen über die Zahnradbahn bis auf die Schwäbische Alb eingesetzt werden konnten.
Der Güterverkehr spielte auf diesem steilen Abschnitt keine große Rolle, bereits 1951 gab nur noch einen Stückgut-Kurswagen. Der Personenverkehr war hingegen beachtlich, besonders durch den Ausflugsverkehr am Wochenende. Allerdings nahmen, wie auf vielen anderen Nebenbahnen auch, durch den zunehmenden Individualverkehr ab den 50er Jahren die Beförderungszahlen stetig ab, so dass am 28. Juli 1969 der Abschnitt Honau - Kleinengstingen und damit auch die letzte DB-Zahnradstrecke stillgelegt werden musste. Nach der Stilllegung gab es 1969 nochmals eine letzte Schienenbus-Sonderfahrt anläßlich des Morop-Kongress, im Dezember 1970 wurde die Zahnradbahn dann schließlich abgebaut.
Seit Ende der 80er Jahre wird wieder verstärkt über einen neuen Albaufstieg der Bundsstraße B312 diskutiert. Verschiedene Planungen, die hier bereits in den 30er Jahren begonnen haben, sehen unter anderem eine Trassierung auf der ehemaligen Zahnradbahn vor. Eine endgültige Entscheidung über dieses Projekt zeichnet sich bislang nicht ab, ein Wiederaufbau der Zahnradbahn bleibt solange allerdings ungewiss ...
Mit der Stilllegung der Zahnradbahn wurde auch der Personenverkehr zwischen Kleinengstingen und Schelklingen eingestellt. Die Hohenzollerische Landesbahn hatte den Personenverkehr nach Kleinengstingen bereits am 1. Juni 1969 eingestellt. Auch im Echaztal erfolgten weitere Stilllegungen. So wurde der Personenverkehr zwischen Reutlingen und Honau am 30. Mai 1980 eingestellt, der Güterverkehr zwischen Reutlingen Süd und Honau endete zum 28. Mai 1983. Anfang 1984 wurde dieser Abschnitt abgebaut. Das Reststück nach Reutlingen Süd war noch bis zum 29. September 1994 in Betrieb, die offizielle Stilllegung erfolgte dann zum 1. Juni 1995. Mittlerweile sind hier die Bahnübergänge gleisfrei. Außerdem wurde ein kleines Teilstück abgebaut, die Gleise wurden für die Städtischen Industriegleise in Betzingen benötigt.

Planbetrieb in den 80er Jahren

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Die 290 323 hatte hier am 2.9.1986 mit der Übergabe aus Schelklingen ihr Ziel Kleinengstingen fast erreicht. Die Tds-Wagen waren für die Abfuhr der Getreideernte bestimmt. Landhandel und Bundeswehr waren hier die einzigen Kunden der Bahn im Güterverkehr.

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Sonntag Abend in Kleinengstingen: 215 051 hatte einen Militärzug aus Oberheutal gebracht, den die V 118 der HzL zur Weiterfahrt nach Hanfertal bei Sigmaringen übernahm. So beobachtet am 21.9.1986.

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Die Reutlinger Bahnhofs-Köf 323 544 hatte hier am 1.3.1986 im Anschluss Hasenauer in Reutlingen Süd zu tun. Im Hintergrund der Georgenberg. So war nach Wegfall des werktäglichen Stückgutwagens nach Pfullingen im Jahre 1982 nur noch zwei bis dreimal pro Woche ein Güterzug in Reutlingen-Süd anzutreffen.
Fotos: Michael Ulbricht

Im Jahre 1995 hatte die DB dann auch die Stilllegung der Strecke Oberheutal - Kleinengstingen angekündigt und die Strecke den Kreisen, Gemeinden sowie verschiedenen Privatbahnen zum Kauf angeboten. Zwischen Kleinengstingen und Münsingen ruhte seither der Betrieb, der Militärbahnhof Oberheutal wurde bei Bedarf noch bedient. In den letzten Jahren veranstalteten die Eisenbahnfreunde Zollernbahn hier regelmäßig Sonderfahrten zwischen Gammertingen, Kleinengstingen und Münsingen, vereinzelt auch bis Schelklingen. Im Sommer 1998 wurde die Strecke außerdem im Rahmen des DB-Nostalgieprogramms mit der Schienenbus-Garnitur des BSW Ulm befahren, mit Anschluss an die Dampfzüge der Eisenbahnfreunde Zollernbahn. Die letzten Sonderfahrten unter DB-Regie fanden hier im Dezember 1998 statt.
Der Regionalverband erarbeitete im Sommer / Herbst 1998 zusammen mit den Anliegergemeinden ein Konzept für eine Übernahme und eine touristische Nutzung der Bahn. Nachdem die Gemeinde Engstingen sich bereits 1994 für eine Übernahme der Strecke ausgesprochen hatte, stimmten im September 1998 auch die Gemeinden Münsingen und Gomadingen einer Übernahme zu. Die Voraussetzung für eine Übernahme zu einem symbolischen Preis von 1,- DM war allerdings ein schlüssiges Nutzungskonzept für den Weiterbetrieb der Bahn. Im Oktober 1998 genehmigte das Eisenbahn-Bundesamt die Stilllegung des Abschnittes Oberheutal - Kleinengstingen, die allerdings nicht vollzogen wurde. Im Mai 1999 hatte dann die Arbeitsgruppe Schwäbische-Alb-Bahn den Gemeinden und dem Kreis eine Kostenberechnung und ein Konzept für die Streckennutzung vorgelegt. Für zunächst 5 Jahre hatten der Kreis und die Gemeinden Zuschüsse für den Unterhalt der Bahn zugesagt. Für die Strecke ist die Erms-Neckar-Bahn AG (ENAG) und für den Bahnbetrieb die DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) verantwortlich. Dazu hatte die ENAG die Strecke für 25 Jahre von der DB gepachtet. Am 13. Juni 1999 konnte dann mit den Schienenbusse des BSW Ulm wieder der planmäßige Verkehr zwischen Kleinengstingen und Schelklingen (- Ulm) aufgenommen werden. Seit Sommer 2000 bietet außerdem die Hohenzollerische Landesbahn im Rahmen ihres Angebotes „Rent a Train“ Sonderfahrten zu Festpreisen für Reisegruppen, Betriebsausflüge und ähnliches auf ihrem eigenen Streckennetz sowie darüber hinaus auch über Kleinengstingen bis Münsingen, Schelklingen oder Ulm an, wobei die MAN-Triebwagen der Bahn aus den 60er Jahren zum Einsatz kommen.
Im Oktober 2000 wurde die Strecke Münsingen - Kleinengstingen vom Landesdenkmalamt in Tübingen als technisches Kulturdenkmal unter Denkmalschutz gestellt. Davon betroffen sind die Gleise, die technischen Anlagen und die Bahnhöfe entlang der Strecke.

Sonderfahrten auf der Alb

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An einem heißen Sommertag: die DB-Museumslok 23 105 mit einem Sonderzug der EFZ am 28.7.88 bei Gomadingen.

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Seit 1999 pendelt der Ulmer Spatz an Sonntagen regelmäßig auf der Schwäbischen Alb, hier am 18.7.1999 bei Offenhausen festgehalten.
Fotos: Michael Ulbricht

Nach Schließung des Bundeswehrstandortes Münsingen wollte sich die DB im Jahre 2004 auch von dem Streckenabschnitt Schelklingen - Oberheutal trennen. Auf Initiative des damals entstandenen Vereins Schwäbische Alb - Bahn aus Münsingen konnte die Erms-Neckar-Bahn AG (ENAG) dann auch diesen Streckenabschnitt langfristig von der DB pachten. Dabei wurde das Angebot im Freizeitverkehr ausgeweitet. Neben dem „Ulmer Spatz“ der Schienenbusfreunde Ulm kam eine weitere Schienenbusgarnitur auf die Alb, mit der die Anbindung von und nach Ulm verbessert wurde. Im September 2004 konnte dann auch wieder der planmäßige Verkehr an Schultagen zwischen Gomadingen, Münsingen und Ulm aufgenommen werden. Seit Dezember 2006 gibt es sogar ein durchgehendes Zugpaar zwischen Münsingen und Gammertingen. Oberheutal wurde im August 2010 wieder ein Gütertarifpunkt.